Mein erstes Trekking Abenteuer -
der West Coast Trail in Kanada

In Vorbereitung auf meinen Trip durch Kanada stoße ich auf den West Coast Trail auf Vancouver Island. Die Bilder sehen so beeindruckend aus, dass es der Trail auf meine Reiseroute schafft, obwohl ich bisher keine Erfahrung im Wandern mit Rucksack und Zelt habe. Die Beschreibung auf Wikipedia als einer der „– in Abhängigkeit vom Wetter – anspruchsvollsten Trekkingwege in Kanada“ macht mich neugierig und ich besorge mir eine Wandergenehmigung für einen der letzten Starttermine im September. So lande ich als komplette Trekkinganfängerin auf diesem 75 Kilometer langen Weg zwischen Port Renfrew/Gordon River im Süden und Pachena Bay im Norden an der Westküste Vancouver Islands. Die Route führt durch matschigen dichten Wald mit umgestürzten Bäumen und maroden Holzpfaden, über 100 Holzleitern und entlang wunderschöner Küstenabschnitte. Es ist das erste mal, dass ich für mehrere Tage die Abgeschiedenheit an einem Ort genieße, den man nur zu Fuß oder per Boot erreichen kann.

Etappe Null 

Einen Tag vor meinem Starttermin mache ich mich auf den Weg nach Port Renfrew, wo am nächsten Morgen meine Wanderung Richtung Norden beginnen soll. Ich bin auf einen Abstecher am Lake Cowichan in der Mitte Vancouvers Islands als ich ein Straßenschild Richtung Port Renfrew entdecke. Statt auf Google Maps zu hören und entlang der Küste über Victoria zu fahren, beschließe ich, dem Straßenschild zu folgen. Mehrere Stunden quäle ich mich über eine mit Schlaglöchern gespickte Sand- und Schotterstraße durchs Nirgendwo. Ich versuche dem nagelneuen Mietauto so viele Schlaglöcher und Aufsetzer wie möglich zu ersparen. Der jungfräuliche Glanz der Limousine ist nach dieser Fahrt aber definitiv dahin. Als ich Port Renfrew erreiche, fahre ich kurz durch den Ort um mich für die Anfahrt am nächsten Morgen zu orientieren. Da ich schon länger nicht duschen war und ich auf eine Haarwäsche vor mehreren Tagen in der Wildnis nicht verzichten will, wird die anschließende Schlafplatzsuche schwieriger als gedacht. Ich finde weder im Ort noch in der näheren Umgebung eine bezahlbare Unterkunft. So fahre ich 75 Kilometer aus Port Renfrew heraus, um auf einem Campingplatz in Sooke zu übernachten. Im Nachhinein betrachtet, war das eine ganz schön dämliche und unnötige Aktion.

Etappe Eins: Kilometer 1 bis 5

Für die Dusche am Morgen und die Rückreise nach Port Renfrew klingelt der Wecker früh, aber anscheinend nicht früh genug. Alles dauert länger als gedacht und aus der geplanten entspannten Anreise wird ein Gehetzte zur obligatorischen Einweisungsveranstaltung. Trotz meiner grandiosen Idee vom Vortag, Port Renfrew und den Ausgangspunkt der Wanderung schon einmal zu erkunden, verfahre ich mich und komme 10 Minuten verspätet beim Vortrag an. Im Gegensatz zu mir, sitzen die anderen Wanderer entspannt auf ihren Plätzen und folgen der Einweisung. Ich bin schon vor dem Start einmal durchgeschwitzt. Nachdem wir u.a. über die Gezeitentabelle und den Umgang mit Wildtieren aufgeklärt werden, bleiben uns 10 Minuten, um uns an einem kleinen Boot zu versammeln, das uns zum Startpunkt fährt. Es ist gerade genug Zeit, um meine Sachen in den Rucksack zu stopfen. Nur den riesigen Schlafsack, den ich so günstig wie möglich bei Canadian Tire geschossen habe, kriege ich nicht mehr unter. Am Ende baumelt er außen an meinem Rucksack und ist die perfekte Verkörperung meiner nicht vorhandenen Erfahrung und Vorbereitung.

Ich sitze mit mehreren Wanderern zusammen im Boot und wir werden auf der anderen Seite des Gordon Rivers in die Wildnis ausgesetzt. Der Trail beginnt den Beschreibungen entsprechend mit einigen Holzleitern, von denen uns in den nächsten Tagen viele weitere erwarten. Im Wald geht es auf den ersten Kilometern stetig bergauf. Die Felsen und Wurzeln hinaufzukommen ist für mich und meinen ausladenden Rucksack herausfordernd, aber nicht unmöglich. 4 Stunden und 6 km später gibt es als Belohnung den ersten Blick aufs Meer und die Campingstelle für diese Nacht am Thrasher Cove. Ich stelle mein Zelt zwischen Treibholz direkt am Strand auf. Bei meinem Einkauf bei Canadian Tire fiel meine Wahl auf dieses Zelt, weil es deutlich günstiger war als alle anderen. Nun stellt sich heraus, dass dieser Preisunterschied nicht unbegründet war. Es handelt sich um ein Zelt für Heranwachsende, in das ich nicht waagerecht, aber immerhin diagonal hineinpasse. Richtig wasserdicht ist es im Übrigen auch nicht, weshalb ich eine extra Regenplane herumtrage. Mein heutiges Abendessen, wie auch alle Folgenden, besteht aus einer Packung Ramennudeln. Um Langeweile vorzubeugen, gibt es abwechselnd die Geschmacksrichtung Hähnchen oder Rind.

Etappe Zwei: Kilometer 6 bis 17

Es ist ein Regentag vorhergesagt, an dem man lieber am Strand als durch den matschigen Wald laufen sollte. Wegen der Gezeiten klingelt der Wecker früh in der Dunkelheit und ich starte zusammen mit anderen Wanderern um 6:30 Uhr auf die Etappe entlang der Küste. Zunächst klettern wir eine ganze Weile über rutschige Felsen und Treibholz. Anstatt durch einen mit Wasser gefüllten Tunnel zu gehen, erkunde ich mit einem anderen Wanderer einen Weg über einen Felsvorsprung. Mit einem Seil kann man sich gut auf den Felsen hinaufziehen. Leider führt der Weg nirgendwohin und wir müssen umkehren. Dabei rutsche ich auf dem nassen Stein aus und lande einen Meter tiefer mit beiden Füßen im Meer. Mein Zelt fällt vom Rucksack und landet ebenfalls im Wasser. Mit ohnehin nassen Füßen habe ich nun kein Problem mehr, durch das Wasser im Tunnel und alle weiteren Wasserhindernisse an diesem Tag zu laufen. Im Verlauf des Tages erwarten mich viele Leitern und mein erstes Cable-Car, mit dem ich mich im Wagon sitzend auf die andere Seite eines Flusses ziehe. Um 17 Uhr erreiche ich das Camp am Cullite Cove und stelle erleichtert fest, dass ich die schwierigsten Kilometer des Trails hinter mir habe. Ich notiere in mein Reisetagebuch, dass ich die nächsten Kilometer daran arbeiten will, beim Laufen mehr nach oben zu schauen, weil ich schon zweimal gegen einen Stamm gelaufen bin. Ich stinke, alles ist dreckig und nass, aber gleichzeitig ist auch alles gut. 

 

Etappe Drei: Kilometer 18 bis 33

Ich bin sehr motiviert und breche um 7 Uhr als erste aus dem Camp auf. Nach einem Cable-Car geht es über mehrere Leitern hinauf in den Wald. Ein paar Stunden und eine Hängebrücke später führt der Weg für den Rest des Tages im Sonnenschein am Strand entlang. Auch das heutige Camp am Cribs Creek liegt am Strand, wo ich abends mit anderen Wanderern am Lagerfeuer sitze und beim Versuch meine Schuhe zu trocknen, meine Schuhzungen abbrenne.

Etappe Vier: Kilometer 34 bis 50

Nach den ersten Kilometern am Strand geht es rechtzeitig mit dem Einsetzen der Flut über Leitern hinauf in den Wald. Da wir bereits den zweiten regenfreien Tag in Folge genießen, laufen wir heute nicht durch üblichen Matsch, sondern „guten“, weniger wässrigen, Matsch. Beim Nitinaht See müssen wir eine Fähre auf die andere Seite des Ufers nehmen und an der Fährstation gibt es Essen und Bier. An den Tsusiat Falls schlage ich mein Camp auf, gehe unter den Wasserfällen duschen und sitze abends gemeinsam mit den anderen Wanderern wieder am Lagerfeuer.

Etappe Fünf: Kilometer 51 bis 62

Heute lässt sich wieder keine Wolke am Himmel blicken und es geht bei schönstem Sonnenschein am Strand entlang und durch den Wald. Sonnenschein ist hier vor allem zu dieser Jahreszeit keine Selbstverständlichkeit, deshalb ist jeder trockene Tag ein kleines Wunder und Grund zum Feiern. Ein Cable-Car und 12 Kilometer später, ist die heutige Etappe schon zur Mittagszeit erreicht. Das gibt mir genug Zeit für einen ausgiebigen Mittagsschlaf in einer Hängematte. Den letzten Abend kann ich mit einer Packung Maggi-Nudeln feiern, die ich aus Mitleid wegen meiner eintönigen Ramen-Ernährung von einem anderen Wanderer geschenkt bekomme. 

Etappe Sechs: Kilometer 63 bis 75

Am nächsten Morgen setzt der Regen ein und das ist okay, denn es sind nur noch wenige Kilometer bis zum Ende des Trails. Der Tag beginnt früh am Morgen, um sicherzugehen, dass ich den Shuttle zurück zu meinem Mietauto in Port Renfrew nicht verpasse. Die ersten Kilometer in der Dunkelheit mit Stirnlampe durch Matsch und Regen bereiten nochmal ein ganz neues Wandererlebnis. In Pachena Beach steige ich glückselig in den West Coast Trail Express zurück nach Port Renfrew. Ich bin sehr dankbar, diese letzten Tage hier draußen verbracht haben zu können und freue mich nun auf eine Dusche und ein richtiges Bett.

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