Der nördliche Teil des nördlichen Kungsleden oder der
Dag Hammarskjöldsleden

Bei meinem Besuch in Schweden durfte der Kungsleden – der Königspfad – natürlich nicht fehlen.  Der nördliche Kungsleden ist 425 km lang und führt von Hemavan im Süden bis nach Abisko im Norden. Ich habe mich entschieden, erst einmal den nördlichen Teil des nördlichen Kungsleden zu wandern, also 105 km von Nikkaluokta bis Abisko. Der „Zubringer“ ab Nikkaluokta führte mich zunächst zum Kebnekaise-Bergmassiv, bevor ich in Singi auf den eigentlichen Kungsleden stieß. Der Kebnekaise ist mit 2097 m der höchste Berg Schwedens (Nordgipfel). Auf meinem Weg habe ich den vergletscherten Südgipfel des Kebnekaise bestiegen, der erst seit 2018 aufgrund der Erderwärmung kleiner als der aus Felsen bestehende Nordgipfel ist.  

Die von mir zurückgelegte Wanderung zwischen Nikkaluokta und Abisko folgt nicht nur für einen Großteil dem Kungsleden. Genau dieser Abschnitt ist auch ein Pilgerweg, nämlich der Dag Hammarskjöldsleden. Dazu heißt es auf einem Hinweisschild beim Startpunkt in Nikkaluokta:

„A pilgrims` walk can be summed up in just a few words: Slowness, freedom, simplicity and silence, insouciance, sharing and spirituality.“

Und genau das ist es, was ich auf meiner Wanderung durch die wunderschöne Natur Lapplands fühlen und erfahren durfte.

Anreise und Tag 1 – Nikkaluokta bis Ladtjojaure (6 km)

Am 25. August 2020 bin ich mit dem Bus von Luleå nach Kiruna und von dort weiter nach Nikkaluokta gefahren. Zwischenzeitlich bestand die Überlegung, nach dem High Coast Trail meinen Knien noch etwas längere Erholung in Kiruna zu gönnen. Kiruna ist die nördlichste Stadt Schwedens und direkt an einem Eisenerzbergwerk gelegen. Tatsächlich wird die ganze Stadt wegen eben jenes Bergwerks gerade um einige Kilometer verlegt. Trotz dieses interessanten und verrückten Fakts waren die lachenden Berggipfel in Sichtweite einfach zu verlockend. Also habe ich mich doch noch am selben Tag um 16:30 Uhr in Nikkaluokta am Start meiner Wanderung wiedergefunden. 

Der Wasservorrat war aufgefüllt, der Rucksack vollgestopft mit Asia-Nudeln und Proteinriegeln und (zu) sauber habe ich mich nach einer Woche Zivilisation auch gefühlt…also gleich los und raus da. Ich habe mir noch nicht einmal die Zeit genommen, meinen Tagesrucksack zu verstauen. So ging es an diesem Nachmittag mit doppelter Beladung, hinten Reise-, vorne Tagesrucksack, auf die ersten Kilometer der Wanderung. Der Weg führte auf einer Schotterstraße oder einem sehr breiten Wanderweg durch einen Birkenwald. Hinter der Fährstation am See Ladtjojaure (mit der Fähre kann man für 30 € 6 km Wanderung verpassen) habe ich zwischen etlichen Rehkötteln mein Lager aufgeschlagen. Von dort hatte ich eine tolle Aussicht über den Ladtjojaure-See und das Kebnekaise-Massiv.

Tag 2 – Ladtjojaure bis Kebnekaise Fjällstation (15 km)

 Der nächste Morgen begann mit einem Bad im eiskalten Wasser. Um 11 Uhr war ich dann auch „schon“ bereit, um mich auf den Weg Richtung Kebnekaise zu machen. Die Etappe an diesem Tag war ebenfalls voller Birken und gespickt mit den ersten wunderschönen Aussichten über das Vistastal. Eine meiner ersten Amtshandlungen war es, meinen 3 l Wasservorrat zu entsorgen. Im Gegensatz zum High Coast Trail war mein „Notfall-Liter“ hier einfach nicht nötig, da es überall Wasser gab. Für den Großteil des Tages hatte ich auch eine Wanderbegleitung. Beim Wandern fällt es mir immer wieder leicht, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Auch wenn man nur ein paar Kilometer zusammen läuft, ist es schön, ein paar Tage oder Kilometer später, bekannte Gesichter zu sehen und Verbundenheit zu verspüren. 

Nach 15 km bin ich an der Kebnekaise Fjällstation angekommen, hier war sehr viel los. Überall um die Fjällstation herum wurde gecampt und in der Station selbst konnte man essen, trinken und einkaufen. Für mich ging es aber noch ca. 2 km weiter Richtung Kebnekaise, um für die Wanderung auf den Gipfel am nächsten Tag ein paar Kilometer zu sparen. Mit Blick über das Vistatal, habe ich nahe einem Bach (eigentlich war alles in der Nähe eines Bachs) mein Zelt aufgebaut.

Tag 3 – Kebnekaise Gipfeltour (20 km, 1.800 hm)

Der erste Wecker klingelte um 5 Uhr, weil ich für die Tagestour auf den Kebnekaise früh starten und den oft wolkenfreien Morgen nutzen wollte. Es war aber so kalt, dass ich nicht vor 6:30 Uhr aus dem Schlafsack gekommen bin. Nach einem Frühstück, das von meiner ersten Rentier-Sichtung gekrönt wurde, ging es um 7:15 Uhr Richtung Berg. Auf den ersten paar Kilometern war der Anstieg angenehm und es gab tolle Aussichten über das Tal und die Berge, wobei vor allem der Tuolpagorni ein echter Blickfang war. Nach ca. 2 Stunden ging es dann mit dem Anstieg auf den Vorgipfel Vieranvarri ans Eingemachte. Zu dieser Zeit hat es dann auch angefangen zu schneien. Nachdem man den Vorgipfel wieder hinunter gewandert ist, folgte der Anstieg auf den Kebnekaise selbst. Über Steine, kleinere und größere, führte der Weg stetig bergauf, gekennzeichnet durch rote Wegweiser. Der Aufstieg brachte einen ins Schwitzen, lies sich aber gut bewältigen. Auf dem Weg nach oben klarte es dann auch etwas auf, sodass wir einen grandiosen Blick über das Vistastal und mehr hatten. Gegen 12 Uhr bin ich am vergletscherten Südgipfel angekommen. Ich habe meine Fußspitzen in den harten Schnee gehackt und mich nach oben gekämpft. Einmal wollte das nicht so recht funktionieren und ich bin ein kleines Stück auf dem Arsch wieder runter gerutscht – das war schon mal ein Vorgeschmack. Direkt auf dem Gipfel habe ich mit meinen Wandergefährten ein paar Minuten im Schnee gesessen und die nicht vorhandene Aussicht genossen. Aufgrund der niedrigen Temperaturen ging es dann aber relativ schnell wieder den kompletten Gipfel auf dem Arsch bergab. Ich bilde mir ein, ich hätte gelesen, dass das Tradition sei, deswegen hab ich auch alle anderen dazu angestiftet, das so zu machen. Tradition hin oder her, auf jeden Fall war es ein Riesenspaß. Vor dem Rückweg hatte ich schon beim Aufstieg Angst. Es gab viele beschneite rutschige Steine und auch auf Kieselsteinen lässt es sich hervorragend ausrutschen, wie ich selbst feststellen konnte. Doch alles halb so schlimm – wer ankommen will, muss auch wieder aufstehen. Um 16:30 Uhr bin ich schließlich fix und fertig am Zelt angekommen. So geschafft und kaputt habe ich mich lange nicht gefühlt. Die Wanderung auf den Kebnekaise war eher konditionell anspruchsvoll als technisch, aber den Schweiß auf jeden Fall wert. Zeit für eine lange Pause war nach der Ankunft leider nicht, da ich noch in die Fjällstation wollte, um meinen Essensvorrat doch noch einmal aufzufüllen. Ich hatte in Luleå zwar 6x Asia-Nudeln, 6x Proteinriegel, Knäckebrot und Müsli gekauft, das schien mir für die nächsten Tage aber nun doch etwas wenig. Außerdem wollte ich mir als Abschluss für diesen schönen Tag eine Packung Trockennahrung für 7,50 € gönnen. Das war der Griff des Tages, denn die abgebildete Walnuss auf der Verpackung hab ich vor lauter Aufregung glatt übersehen. Da ich eine Nussallergie habe, war die Enttäuschung zurück am Zelt entsprechend groß. Stattdessen mussten dann Asia-Nudeln herhalten, die mit frischen Brötchen und Schokolade aus der Fjällstation dann doch zu einem angemessenen Festmahl wurden.

Tag 4 – Kebnekaise Fjällstation bis Singi (15 km) 

 Am Morgen habe ich in Ruhe alles zusammengepackt, Yoga gemacht, meditiert und gefrühstückt. Mit dem Blick über das Tal und die mit einem Regenbogen versehenen Berge war das ein richtig schöner Morgen. In der Fjällstation konnte ich meine Walnuss-Pasta problemlos umtauschen. Außerdem habe ich mir noch den bei den Schweden sehr beliebten Käse in der Tube gekauft. Der war gar nicht so schlecht wie erwartet, zumindest besser als trockenes Knäckebrot (Anmerkung eine Woche später: Spoiler, davon bekommt man schlimme Blähungen). 

Tiefenentspannt ging es dann um 11 Uhr Richtung Singi. Der Weg führte erstmal Richtung Talschluss und am Tuolpagorni vorbei. Und dann? Dann war es unglaublich ruhig. Da waren nur die anmutigen Berge, die Stille und ich. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch gar nicht, dass ich mich auf einem Pilgerweg befand, den eben u.a. jene Stille ausmacht. 

Mein Ziel an diesem Tag habe ich nach 15 km in Singi erreicht. Kurz hinter der Hütte habe ich mein Zelt aufgeschlagen, die Sonne und die Landschaft genossen und mir diesmal wirklich meine Trockennahrung, mittlerweile Pasta Carbonara, gegönnt. Die gefriergetrocknete Outdoor-Nahrung nenne ich gerne mein „Sonntagsessen“, weil sie im Vergleich zu meinen Asia-Nudeln so teuer, lecker und nährstoffreich ist. Sie wird also nur zu besonderen Anlässen ausgepackt. Dieser Freitag war eindeutig ein Sonntagsessen-Tag. 

Tag 5 – Singi bis Tjäktja Pass (17 km)

 Auch in Singi startete der Tag mit Sonne, Yoga und Meditation. Danach ging es im Tal weiter Richtung Norden. Nicht, dass ich die Himmelsrichtung hätte ausmachen können, aber bei einer Wanderung Richtung Norden wird das wohl einigermaßen stimmen. Nach 12 km war um 14 Uhr die Etappe bis Sälka schon geschafft. Von der den Pilgerweg ausmachenden „Slowness“ bin ich an diesem Tag etwas abgekommen. Weil es noch so früh war, wollte ich mich nicht mit den 12 km zufriedengeben. Da nach 5 km beim Tjäktja Pass auf 1150 hm der höchste Punkt des Kungsleden folgte, war das nicht die beste Idee. Es war dort sehr kalt und windig und weil es auch steinig und sumpfig war, ließ sich um den Pass herum, sowohl die Kilometer davor, als auch danach, nur schwer ein Platz zum Zelten finden. Ich bin dann etwas zurückgelaufen und habe einen Schlafplatz am Wasser gefunden. Es war eisig kalt, sodass ich früh ins Zelt gekrochen bin.

Tag 6 – Tjäktja Pass bis Alesjaure Fjällstation (20 km)

Am nächsten Morgen wurde aus meiner Morgenroutine leider nichts mehr, da es für Yoga einfach zu kalt war. Ich habe den Platz am Fluss aber genutzt, um mich im Wasser etwas zu erfrischen. Die Füße waren gefühlt sofort eingefroren, sodass die Badeaktion entsprechend kurz ausfiel. Trotzdem ist es für mich immer ein großartiges Gefühl, am Morgen ins Wasser zu hüpfen. Danach fühlt sich auch alles gleich viel wärmer an. Beim Frühstück lagen zu meiner Freude auf einem Schneefleck auf dem gegenüberliegenden Berg dann auch noch Rentiere herum – das war also ein Frühstück mit Rentieren. Da ich mit meiner liebsten kleinen Kompaktkamera nicht den größten Zoom habe, behelfe ich mir in Fällen von weit entfernter Wildtiersichtung gerne mit meinem Fernglas, so auch an diesem Morgen. Die so mit Biegen und Brechen entstehenden verschwommenen Bilder sind vielleicht nicht schön, aber selten. 

Die Entscheidung vom Vortag, von Sälka weiter gewandert zu sein, war für mich damit goldrichtig, auch wenn ich sie nicht weiterempfehlen würde. Die Tagesetappe führte über den Tjäktja Pass und danach über ein Steinmeer bis zur Tjäktja Fjällstation. Nach weiteren 13 km war die Alesjaure Fjällstation erreicht. Wie auch schon die Tage zuvor waren auf der Strecke viele der üblichen Holzbretter verlegt, sodass der Weg leicht zu bewandern war. Hinter der Fjällstation am türkisfarbenem Alesjaure-See habe ich mein Lager für die Nacht aufgeschlagen. 

Tag 7 – Alesjaure Fjällstation bis Nissonjåkka, Abisko Nationalpark (28 km)

Auch an diesem Morgen sind meine Füße im Wasser schnell eingefroren und an Yoga war nicht zu denken. Die Etappe führte erst an ein paar Seen vorbei, bevor es über einen etwas unspektakuläreren Abschnitt zum Abisko Nationalpark ging. Oberhalb des Nationalparks angekommen, bot der Blick über eben diesen einen fantastischen Blick und die Absikojaure Station war schon in Sichtweite. Dort bin ich nach 20 km um 16 Uhr angekommen. Übernachten wollte ich bei der Station aber nicht, denn das hätte 30 € gekostet. (Von Alesjaure aus kommend gibt es kurz vor dem Nationalpark eine kostenlose Campingstelle – diese Möglichkeit habe ich aber nicht wahr genommen.) Da es überall anders im Nationalpark verboten war zu campen, bin ich weitere 8 km durch den Nationalpark zu einer offiziellen Campingstelle gelaufen. Dort bin ich sehr geschafft um 19 Uhr angekommen und habe mein Zelt zwischen vielen anderen in einem Wäldchen und neben einem Bachlauf aufgeschlagen. Um den letzten Abend auf dem Kungsleden zu krönen, gab es auch an diesem Montag ein Sonntagsessen. 

Tag 8 – Nissonjåkka, Abisko Nationalpark bis Abisko (4 km)

Am nächsten Morgen habe ich es für die letzten 4 km der Wanderung sehr entspannt angehen lassen. Die letzten Kilometer durch den Nationalpark waren auch weitaus spannender als die Kilometer des Vortags. In Abisko angekommen, gab es einen beeindruckenden Canyon zu bestaunen. 

Auf der Suche nach einer Dusche in Abisko habe ich dank einer Bekanntschaft vom Trail ein günstiges Hostelbett gefunden, konnte nochmal günstig Schokolade kaufen und hatte ein überragendes Halloumi-Grillgemüse-Guacamole Abendessen. 

Am Ende meines letzten Tages in Schweden habe ich mich am riesigen Torneträs-See wiedergefunden. Der Ort und die Zeit waren perfekt, um meiner Reise durch Schweden nach 28 Tagen einen gebührenden Abschied zu bereiten. Denn „nur das eine weiß man ganz sicher: dass es ist wie es ist und dass es kommt wie es kommt.“ (Jonas Jonasson)

Wow, du hast es erfolgreich durch meinen ersten Blogartikel geschafft. Vielen Dank für das Lesen.  

Als Belohnung gibt es hier noch ein paar mehr Bilder:

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Paul & Linda

    Liebe Caro,
    wir haben zum Frühstück Rentiere, Berge, kalte Flüsse und Füße sowie tolle Bilder in unseren Gedanken zu Besuch gehabt. Dein Abenteuer fasziniert uns und es besteht aufgrund deines Berichts erhebliche Ansteckungsgefahr für die gute Wanderlust. 😉
    Lass es dir weiter gut gehen. Wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht.
    Linda und Paul

  2. Neli

    Wow, toller Text!
    Wer hat den denn lektoriert? 😉

    PS: Kommentar bitte nicht freigeben 😀

  3. Martin

    Wahnsinn! Es ist ein tolles Erlebnis diesen Wlog zu lesen! 🙂 Ich war am Ende ganz schön erschöpft! 🙂 Die Bilder machen sprachlos!

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