3 Klassiker in 5 Tagen:
Preikestolen, Kjeragbolten und Trolltunga
Innerhalb Norwegens war ich mit dem norwegischen Bahnunternehmen VY unterwegs (https://www.vy.no/en).
Ein guter Ausgangspunkt für den Preikestolen ist Stavanger. Dort gibt es Kombitickets für Fähre und Bus am Fährhafen zu kaufen. Mit dieser Verbindung gelangt man direkt zum Parkplatz am Preikestolen.
Die Wanderung zum Preikestolen ist etwa 8 km lang (inkl. Rückweg) und es werden etwa 500 Höhenmeter überwunden.
Die Gegend um den Preikestolen ist eher steinig oder matschig, sodass es nicht leicht ist, einen Zeltplatz zu finden. Kurz vor der Felskanzel gibt es ein Schild, hinter dem Zelten verboten ist. Einige Zelte standen auf einer Grünfläche hinter dem Preikestolen. Ein toller Spot, aber ob das zelten dort erlaubt ist, weiß ich nicht.
Preikestolen
Ausgangspunkt für meine Reise im Süden Norwegens ist Stavanger. Dort beziehe ich für eine Nacht ein Hostel in einem stillgelegten Teil eines Krankenhauses. Das ist total abgefahren, auch dass es das Frühstück am nächsten Morgen zusammen mit frisch gebackenen Mamas gibt. Von Stavanger gelange ich per Fähre und Bus zum Parkplatz am Preikestolen. Hier beginnt der gut ausgeschilderte, gut besuchte und gut zu bewältigende Wanderweg hinauf zur berühmten Felskanzel. Keine Stunde später stehe ich vor dem „Predigtstuhl“, einer natürlichen Steinplattform 600 m über dem Lysefjord. Kurz vor dem „Ab hier Camping verboten“-Schild finde ich auf einer kleinen Erhebung einen Platz für mein Zelt. Danach schieße ich Fotos oder lasse sie schießen und erkunde die Gegend bevor es sich abends zuzieht und der Lysefjord unter den Wolken verschwindet.
Um 7 Uhr werde ich wach und traue beim Blick aus dem Zelt meinen Augen kaum. Die Wolkendecke vom Vorabend ist aufgebrochen und zum Vorschein kommt der in die schönsten Rottöne getauchte Lysefjord – „no filter needed“ 😉 Ich genieße die Landschaft und mein Frühstück und mache mich schon bald auf den Weg zum nächsten Klassiker.
Meine Tage in Norwegen sind langsam gezählt, aber zwei Wunschziele sind noch offen: der Kjeragbolten und die Trolltunga. Meine Recherche ergab, dass es zwischen Preikestolen und Kjeragbolten keine direkte Verbindung gibt, alle führen über Stavanger. Dafür habe ich keine Zeit, sodass ich eine eigene Route plane. Vom Parkplatz am Preikestolen versuche ich eine Mitfahrgelegenheit Richtung Hauptstraße zu bekommen. Die einzige Möglichkeit, die sich bietet, ist der Bus, mit dem ich am Vortag gekommen war. Für die Kilometer runter zur Hauptstraße darf ich sogar kostenlos mitfahren. An der Hauptstraße strecke ich den Daumen raus. Mein Ziel ist Forsand, wo die Fähre nach Lysebotn ablegt. Es dauert eine Weile, nicht bis ein Auto anhält, sondern bis überhaupt eines vorbei kommt. Schließlich habe ich Glück und finde eine Mitfahrgelegenheit, die mich um 13 Uhr an der Lysefjord Bridge abwirft. Schnellen Schrittes laufe ich über die Brücke, die ich am Vortag noch vom Preikestolen aus betrachtet habe. Viel Zeit bleibt nicht, zur Fähre sind es laut Google Maps 52 Minuten Gehzeit und diese legt in 60 Minuten ab. Sogar nach deutscher Pünktlichkeit komme ich rechtzeitig um 13:49 Uhr an der Fährstation an, muss aber auch erstmal durchatmen. 10 Minuten vor der Zeit ist die deutsche Pünktlichkeit 😉
Der höchste Gipfel am Lysefjord liegt auf dem Felsplateau Kjerag (ca. 1.000 m). Ein beliebter Fotospot auf dem Plateau ist der Kjeragbolten, ein in einer Felsspalte eingeklemmter Felsblock.
Der Startpunkt der Wanderung befindet sich am Kjerag Restaurant (Øygardstøl). Ich bin mit der Fähre nach Lysebotn und von dort mit dem Taxi zum Start der Wanderung gefahren. Am Restaurant befindet sich ein gebührenpflichtiger Parkplatz.
Die Wanderung zum Kjeragbolten ist etwa 12 km lang (inkl. Rückweg) und es werden 500 Höhenmeter zurückgelegt.
Kjeragbolten
In Lysebotn übernachte ich auf dem Campingplatz, wo ich mein Zelt beinahe an der tiefsten Stelle der Wiese aufstelle. Vor diesem Anfängerfehler bewahrt mich ein Pärchen aus Peru, mit dem ich mich für den nächsten Morgen zur Wanderung zum Kjeragbolten verabrede. Laut Wetterbericht soll die Wetterlage am frühen Morgen am besten sein, daher treffen wir uns um 8 Uhr am Taxiservice, der uns zum Start der Wanderung fahren soll. Nachdem wir den Taxifahrer aus dem Bett klingeln, fährt er uns die Serpentinenstraße am Ende des Tals hinauf zum Parkplatz Øygardstøl am Ausgangspunkt der Wanderung. Dort treffen wir den „Parkplatzwächter“, der uns zwar nicht verbietet, aber auch nicht rät, heute zum Kjeragbolten zu wandern. Die Sicht sei ohnehin so schlecht, dass man den Stein und den Lysefjord von oben gar nicht sehen könne. Nach langem Überlegen sehe ich ein, dass es so wahrscheinlich keinen Sinn macht und fahre mit den anderen wieder hinunter ins Tal zum Campingplatz. Dort sitzen wir in der Campingküche und stellen enttäuscht fest, dass es sich immer mehr aufklart. Als ich blauen Himmel entdecke, beiße ich mir endgültig in den Arsch. Die Peruaner haben leider keine Zeit, einen zweiten Versuch für die Wanderung zu starten. Ein Pärchen aus Tschechien macht sich gerade bereit, um mit ihrem Mietwagen zum Startpunkt der Wanderung zu fahren. Ich nutze meine Chance und renne den beiden hinterher, um zu fragen, ob sie mich mitnehmen würden. Das zweite mal innerhalb weniger Stunden oben angekommen, begrüßt der „Parkplatzwächter“ mein bekanntes Gesicht grinsend und wünscht viel Spaß.
Die ersten Kilometer machen den Weg zu meiner bisher herausforderndsten Wanderung in Norwegen. Auf glattem Stein, der durch den Regen sehr rutschig ist, gehe oder ziehe ich mich an den befestigten Ketten bergauf. Nachdem ich auf dem Rückweg zweimal stürze, nutze ich die Ketten, um mich rückwärts den Berg hinunter zu manövrieren, was wunderbar funktioniert. Aber natürlich gibt es noch die Zeit zwischen Auf- und Abstieg… Nach ein paar Kilometern komme ich auf dem Bergrücken an und der Weg wird entspannter. Der Lysefjord und Lysebotn lassen sich nur kurzzeitig zwischen den Wolken blicken. Nach etwa 1,5 Stunden klettere ich durch eine kleine Schlucht und dann schwebt er vor mir, der Kjeragbolten. Es klart sogar etwas auf und ich kann darunter den Lysefjord erkennen. Nun stehe ich also vor der Frage aller Fragen: Steige ich auf den Stein oder lieber nicht? Diese Frage hatte mich schon Zuhause in Berlin vom Schlaf abgehalten. Als ich den Stein nun vor mir sehe habe ich ein gutes Gefühl und traue mir zu, „den Schritt“ zu wagen. Ich wage den Schritt sogar gleich zweimal, weil mein auserwählter Fotograf beim ersten Versuch die Fotos, lieb gemeint, verkackt. Mich auf dem Stein zu beobachten, hat ihn anscheinend nervöser gemacht als ich es selbst war. Der zweite Versuch klappt besser und ich baue sogar noch die ein oder andere Yogapose ein. So findet mein Abenteuer Kjeragbolten einen wunderschönen Abschluss.
Die „Trollzunge“ ist ein kleines Felsplateau, das 700 m über dem See Ringedalsvatnet liegt.
Die Wanderung startet am Parkplatz 1 in Tyssedal, am Parkplatz 2 in Skjeggedal oder auf dem Parkplatz 3 am Mågelitopp. Ein Bus von Odda fährt zu den Parkplätzen 1 und 2.
Von Skjeggedal (Parkplatz 2) ist die Wanderung 28 km lang (Hin- und Rückweg) mit 800 Höhenmetern. Vom Mågelitopp (Parkplatz 3) sind es 20 km und 320 Höhenmeter.
Zwischen Parkplatz 2 und Parkplatz 3 führt der Wanderweg entlang einer asphaltierten Serpentinenstraße. Es werden 4 km und 400 Höhenmeter zurück gelegt. Die Möglichkeit, die Strecke durch den Wald zu laufen gibt es m.E. nach nicht mehr.
Zelten ist auf den ersten 3 km nach Parkplatz 3 verboten. Vor der Trolltunga war es steinig und nass, sodass ich Schwierigkeiten hatte, einen geeigneten Platz zu finden. Bei meinem nächsten Besuch würde ich einen Zeltplatz hinter der Trolltunga suchen und auch einen „kleinen Preikestolen“ 20 Minuten hinter der Trolltunga besuchen.
Trolltunga
Von Lysebotn nehme ich am nächsten Morgen die Fähre nach Stavanger und fahre weiter mit dem Bus nach Odda. In Odda bekomme ich in der Touristeninformation erstmal keine freudigen Nachrichten. Aufgrund der Wetteraussichten mit Regen, Schnee und starken Windböen wird in den nächsten Tagen von einer Wanderung zur Trolltunga abgeraten. Meine Sturheit und Verbissenheit lassen mich trotzdem um 16:30 Uhr in den Bus zum Startpunkt der Wanderung steigen. Da ich oben in den Bergen zelten will und die Sonne nicht vor 19 Uhr untergeht, liege ich gut in der Zeit. Der Bus fährt bis zum Parkplatz in Skjeggedal. 4 km weiter und 400 Höhenmeter höher gibt es einen weiteren Parkplatz, zu dem man entweder gebührenpflichtig mit dem eigenen Auto fährt oder mindestens 1 Stunde bergauf über die Asphaltstraße läuft. Als ich gerade los marschieren will, kommt ein Auto, dass genau diese Strecke zum oberen Parkplatz fahren will. Ich halte den Daumen raus und die Männer willigen ein, mich im Auto mitzunehmen. Damit schummele ich zwar, aber es bleibt mir auch ein nicht so schöner Teil der Wanderung erspart und ich kann es heute noch weiter schaffen als geplant. Halleluja! Mal wieder mehr Glück als Verstand.
Nach ein paar Kilometern auf dem Wanderweg beginnt es zu schneien. Das beunruhigt mich zunächst kaum, doch als sich eine weiße Decke über die Steine mit den roten Wegmarkierungen legt, bricht leichte Panik aus. Nachdem ich kurz umherirre, um den nächsten markierten Stein zu finden, wird der Weg schnell wieder zu einem Trampelpfad und ich kann ihm leicht folgen. Der Plan ist, spätestens um 20 Uhr das Zelt aufzustellen, unabhängig davon wie weit ich gekommen bin. Doch je näher ich der Trolltunga nun komme, desto mehr entwickle ich den Ehrgeiz, diese heute noch zu erreichen. Mit zunehmender Windstärke und Dämmerung stehen diesem Willen Vernunft und Angst gegenüber.
Das Ringen von Ehrgeiz und Vernunft führt zu einem Szenario, das an einen Abend im Club erinnern könnte. Wie ein aufgescheuchtes Huhn renne ich durch den Matsch. Analog zur Männerschau halte ich jede mögliche Campingstelle im Hinterkopf, ziehe aber weiter, in der Hoffnung, noch etwas besseres zu finden. Mit zunehmender Stunde und einsetzendem Sturm werde ich ängstlicher. Ich renne zurück, in dem Glauben eine der möglichen Campingstellen wieder zu erkennen, diese scheinen aber verschwunden zu sein. Hin und her, hin und her.
Als ich ein Schild passiere, dass darauf hinweist, dass die Trolltunga noch 3 km entfernt ist, wird die Szene durch die Begegnung mit einem Paar aus England unterbrochen. Sie sind auch auf der Suche nach einem Platz zum Zelten, kommen mir aber entgegen, weil sie weiter oben nicht fündig geworden sind. Ich möchte es trotzdem versuchen und versichere ihnen, dass ich auch umkehre, wenn ich keinen Platz finde. Letztlich platziere ich mein Zelt neben einem großen Stein auf einer abschüssigen Wiese über einem kleinen Tümpel. Da der Sturm nun langsam einzusetzen scheint, rennt das Huhn beim Zelt aufbauen nicht weniger hektisch hin und her und als es sich dann endlich in den Unterschlupf zurückziehen will…ist auf einmal das Handy weg. Vor der ersehnten und dringend benötigten Verschnaufpause, steigt das Spannungsbarometer noch einmal auf ein Höchstniveau als ich draußen im Wind und Schnee nach meinem Handy suche. Zum Glück ist es beim Verfrachten des Rucksacks ins Zelt nur aus dem Hüftgurt gefallen und liegt in einer Kuhle neben dem Felsen, wo ich es relativ schnell entdecke. Ich erhole mich bei einem kleinen Abendessen im Zelt und versuche danach in den Schlaf zu finden. Doch als mir meine Lage plötzlich schiefer erscheint als gedacht, lässt mich ein Gedanke nicht los. Ist es möglich, samt Zelt in den Tümpel abzurutschen? Überlegungen wie diese und die Entlastung der Zeltwände vom Schnee, halten mich die Nacht über auf Trapp. Im Nachhinein betrachtet, hat mir der Schnee in der Nacht zugespielt, da er sich auf die seitlichen Apsiden gelegt und so als Windschutz gedient hat.
Um 7 Uhr passieren mich die ersten Wandergruppen und ich bin heilfroh, wieder Tageslicht und Menschen zu sehen. Ich schließe mich ihnen für den letzten Teil der Wanderung an und stelle fest, dass ich nur etwa einen Kilometer von der Trolltunga entfernt übernachtet habe. Dort angekommen, machen wir Fotos und können einen kleinen Regenbogen über dem Ringedalsvatnet genießen. Da ich von letzter Nacht immer noch unruhig bin, breche ich schnell wieder auf und laufe ca. 3,5 Stunden zurück zum Parkplatz. Mit zwei Argentiniern trampe ich zurück nach Odda. Während ich mir an der Bushaltestelle ein lang ersehntes Essen mit meinem Campingkocher zubereite, lerne ich ein Geschwisterpaar aus Berlin kennen. Sie haben die vorherige Nacht in einer Schutzhütte oben in den Bergen bei der Trolltunga verbracht. Dort haben sie später am Abend Gesellschaft von einem Pärchen aus England bekommen. Diese berichteten von einem Mädchen, dass draußen in der stürmischen Dämmerung noch nach einem Platz zum Zelten sucht, aber bestimmt auch bald in die Hütte kommt. Bekanntlich, ist sie nicht gekommen…
Die Geschwister Laura und Camilo wollen auch nach Bergen, sodass wir uns gemeinsam mit Bus und Bahn auf den Weg machen. In Bergen darf ich in Lauras Erasmus-WG übernachten und am Folgetag mache ich mit Camilo eine Green Kajak-Tour. Wegen starkem Wellengang kommen wir zwar nicht aufs offene Gewässer, aber um die Ablegestelle am Fischereimuseum wird es dafür umso sauberer. Bei einem Kaffee erzähle ich ihm von der Idee, einen Reiseblog zu schreiben, dass mir diese Idee aber zu weit hergeholt erscheint. Mit einer vollständig abgehakten norwegischen Bucket-List fliege ich am Abend von Bergen zurück nach Berlin. Und wenn sie nicht in den Tümpel gerutscht ist, dann wandert sie noch heute. 😉
Peace out, drop the mic.
Liebe Grüße
ich
Mal wieder ein wunderbarer Blog Artikel! Zum Glück wurde die Idee dazu aufgegriffen! :p
Noch heute erzählt man sich die Geschichte an der TrollTunga – über ein Mädchen was Wanderern, welche zurückweichen müssen, ein schlechtes Gewissen macht und mutig vorne weg marschiert! 🙂